Grußwort
500 Jahre Reinheitsgebote
In den Jahren 2016/2017 feiern wir zwei 500-jährige Jubiläen, die Gemeinsamkeiten haben.
1516 erließ der bayerische Herzog Wilhelm IV. das Reinheitsgebot für Bier. Damit sollte das
Brauen auf die Verwendung der vier natürlichen Zutaten Wasser, Hopfen, Malz und Hefe beschränkt
bleiben. Damals übliche Zutaten wie Tollkirsche und andere giftige und berauschende
Pflanzen blieben damit tabu. Der Genuss von Bier sollte dem Wohl des Menschen dienen und
nicht seine Gesundheit gefährden.
Auch im folgenden Jahr 1517 ging es um ein Reinheitsgebot: Am 31. Oktober dieses Jahres
kämpfte der Augustinermönch Martin Luther mit 95 Thesen für die Reinheit des Evangeliums
und um das Heil des Menschen. Solus Christus (allein Christus), Sola Gratia (allein die Gnade),
Sola Fide (allein der Glaube) und Sola Scriptura (allein die Schrift) galten ihm als die vier
ausschließlichen Voraussetzungen dieses Heils. Alle anderen Zutaten wie Leistung, Geld und
Machtausübung erkannte der Reformator als giftige Zusatzstoffe, die die frohe Botschaft und
das Heil des Menschen gefährdeten.
Die evangelischen und katholischen Kirchengemeinden in der Region Miesbach und Neuhaus
erinnern in den kommenden Monaten mit vielen besonderen Veranstaltungen an diese
gewachsene Verpflichtung aller christlichen Kirchen, das Evangelium zum Wohl und Heil der
Menschen zu leben und weiterzusagen. Gegenwärtig lauern dabei gewiss andere Gefahren
als damals. Vielleicht muss heute einer eher folkloristischen Ausübung des Glaubens wieder
die soziale Ausrichtung des Evangeliums gegenübergestellt werden. Oder es gilt, einem
privatisierten Christentum wieder die globale Verantwortung der Jesusnachfolger entgegen
zu halten.
Die Aufgabe des anstehenden Reformationsjubiläums ist damit vorgezeichnet. Es wird mit
der einerseits tröstlichen, andererseits aber auch aufrüttelnden Botschaft des Evangeliums
Menschen einladen, ihrem Leben auch heute Sinn und Perspektive zu geben.
Walter Waldschütz
kath. Dekan
Martin Steinbach
evang. Dekan