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Seinen raschen Aufstieg verdankt er vor allem
seinen unternehmerischen Innovationen, die
geniale Züge hatten und sogar an raffinierte,
computergestützt arbeitende Investitionsmodelle
heutiger Tage erinnern. Das „System
Strousberg“ war ein ausgeklügeltes Finanzierungsmodell,
mit dem er trotz eines weitgehend
regulierten Kapitalmarkts privates
Kapital in nennenswerter Höhe für den Eisenbahnbau
gewinnen konnte: Strousberg erfand
die Position eines Generalunternehmers,
der
den Bau sukzessive vorfinanziert, organisiert
und ausführt – ohne Bezahlung in bar, denn
sein Lohn waren Anteile an der Eisenbahngesellschaft.
Dieser Unternehmer hatte als
Privatmann auf dem Finanzmarkt freie Hand
und konnte Aktien sogar unter ihrem Nennwert
ausgeben, wenn es dem weiteren Bau
diente. Dieses Modell machte den Eisenbahnbau
plötzlich für private Anleger attraktiv.
Strousberg sammelte Kapital und wurde selbst
Generalunternehmer. Er investierte in Zulieferbetriebe;
er entwarf seine „vertikal gegliederte
Industrie“, den ersten deutschen Konzern
moderner Prägung. Von der Rohstoffgewinnung
bis zur Lokomotivenfertigung deckte
er alle Produktionsstufen des Eisenbahnbaus
und damit die ganze Wertschöpfungskette
ab – ein Vorbild übrigens für Siemens. Durch
die Wirtschaftskrise der 1870er Jahre endete
Strousberg allerdings als armer Mann. Die
wagemutigen Unternehmerpersönlichkeiten des
19. Jahrhunderts hatten noch keine kapitalstarken
Dynastien errichtet, ihr Risiko war
hoch – und lastete nicht auf einer raffinierten
Der Görlitzer Bahnhof in Berlin, um 1868,
Ausgangspunkt des Eisenbahnimperiums von Bethel Henry Strousberg
Rechtsform, sondern auf ihrer Person. Auch
Ludwig von Jacobs’ Werk sollte keinen Bestand
über Generationen hinweg haben.
Nun trat der im Hannoveraner Umland geborene
Werner von Siemens auf den Plan. Der
aus einer alten Goslarer Familie stammende
Unternehmer hatte – noch als preußischer
Offizier im Militärdienst – zahlreiche Erfindungen
gemacht, darunter die ersten brauchbaren
Apparaturen, die Bau und Betrieb von Telegrafenleitungen
ermöglichten. Davon profitierte
auch der Bahnbetrieb, denn ohne eine Weiterleitung
von Informationen per Draht war eine
funktionierende Signaltechnik kaum denkbar.
Siemens’ Erfindungen machten damit den
Eisenbahnbau rentabler und streckenweise
überhaupt erst möglich.
Der Unternehmer Jacobs war auch ein politischer
Mensch. Er stieg zum Stadtrat
und Stadtältesten
auf. 1851 leitete er die Eröffnungssitzung der
neu gewählten Stadtverordnetenversammlung
von Potsdam, auf der sich Alexander von Humboldt
für die ihm zwei Jahre zuvor
verliehene
Ehrenbürgerwürde bedankte. Jacobs kannte
den berühmten Naturforscher und stand mit