
PALAIS BIRON NR. 25 | SOMMER 2017 11
Durch die Globalisierung
der Märkte hat die
Bedeutung der Wirtschaftsspionage
seit den
1990er-Jahren stetig zugenommen. Sie
unterscheidet sich von der Konkurrenzausspähung
und Industriespionage dadurch,
dass sie staatlich gelenkt oder
gestützt ist. Im Fokus der Ausforschung
stehen dabei Unternehmen wie Forschungseinrichtungen.
Viele ausländische Nachrichtendienste
haben den gesetzlichen Auftrag,
ihre eigene, heimische Wirtschaft mit
Informationen über deren Konkurrenten
zu versorgen. Sie sind dazu verpflichtet,
eine technologische Vorherrschaft ihres
Landes mit allen Mitteln zu verteidigen
oder zum Ausbau des technischen
Know-hows der eigenen Wirtschaft beizutragen.
Während es Staaten mit einem
Technologierückstand eher auf wirtschaftsnahe
Forschungsergebnisse und
konkrete Produkte abgesehen haben,
interessieren sich hoch industrialisierte
Länder primär für Wettbewerbsstrategien
oder Angebote bei internationalen
Ausschreibungen. Deutschland ist dabei
ein lohnendes Ziel aufgrund seiner geopolitischen
Lage, seiner Rolle in EU und
NATO sowie als Standort zahlreicher
Weltmarktführer und Unternehmen der
Spitzentechnologie.
In Deutschland wird zu Recht viel
Geld in neue Produkte und Mitarbeiter
investiert. Häufig bleibt jedoch der
Schutz des Know-hows, das sich jedes
Unternehmen erarbeitet hat, auf der
Strecke. Gerade viele kleine und mittelständische
Unternehmen erliegen dem
Irrglauben, Angriffe durch ausländische
Nachrichtendienste seien nur eine Gefahr
für Dax-Konzerne; sie selbst seien
zu unbekannt und kein lohnendes Ziel.
Richtig ist vielmehr, dass sich zwei
Drittel aller Angriffe gegen kleine und
mittelgroße
Unternehmen richten.
Für Regierungen nahezu aller Staaten
sind präzise und rechtzeitig erlangte Informationen
aus dem Ausland von großer
Bedeutung, um die richtigen politischen
Entscheidungen treffen oder auf globale
Entwicklungen angemessen reagieren
zu können. Ein Großteil der öffentlich
zugänglichen Informationen wird dabei
von Diplomaten und Handelskammern
gesammelt und weitergegeben,
beispielsweise durch die Auswertung
der Medien oder den Besuch von Industriemessen.
Viele Regierungen streben
aber nach zusätzlichen Informationen,
die nicht öffentlich zugänglich oder gar
geheim sind, um sich einen entscheidenden
Wissensvorsprung
zu sichern. Die
nachrichtendienstliche Beschaffung geheimer
Informationen erfolgt dabei über
menschliche Quellen oder technische
Mittel.
Die Informationsgewinnung über
menschliche Quellen funktioniert seit
Jahrhunderten nach „Schema F“: Im
Einsatz sind Agenten oder als Geschäftsleute
und Journalisten getarnte
Geheimdienstmitarbeiter. Mit geschickter
Gesprächsführung oder durch die
Kenntnis von Schwächen einer Zielperson
entsteht eine Basis, auf der entweder
Vertrauen und Sympathie wachsen können
oder über die kompromittierendes
Material generiert wird, um die Weitergabe
von sensiblen Informationen vorzubereiten.
Nicht unüblich ist auch das
Einschleusen von Agenten in sensible
Bereiche, wo sie als Praktikanten oder
Gastwissenschaftler getarnt Informationen
abgreifen.
Das Beschaffen von Informationen
über technische Mittel beschränkt sich
nicht auf Abhöraktionen: An Bedeutung
gewinnen Aktivitäten im Cyberraum,
seitdem Digitalisierung und Vernetzung
keine Grenzen mehr kennen.
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